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Interview mit Snatam Kaur und GuruGanesha Singh

Snatam Kaur ist eine der populärsten Musikerinnen in der Yogaszene. Sie verkauft im Jahr über 50000 Alben. Wer ihrer Musik lauscht erfährt: Liebe, Wachstum, Klarheit, Transformation und Heilung. Eine engelsgleiche Stimme wird ihr nachgesagt. YogaRelations hatte die Ehre mit Snatam Kaur und ihrem Musikpartner GuruGanesha Singh ein Interview zu führen.

YogaRelations: Wie hat deine Chanting-Geschichte begonnen und wer hat dich auf diesem Weg am meisten beeinflusst?

Snatam Kaur:
Meine Chanting-Geschichte begann mit meiner Geburt. Meine Eltern haben mit Yoga und Meditation angefangen, als meine Mutter mit mir schwanger war. Ich wuchs mit chanten als Teil meines Lebens auf und im 3HO Lebensstil dem happy, holy, healthy Lebensstil - der von Yogi Bhajan 1969 gegründet wurde. Yogi Bhajan hat erst 2004 seinen Körper verlassen und ich kann immer noch sehr stark seine Präsenz in mir fühlen. Er war ein unglaublicher Chanting-Lehrer. Er war kein besonderer Sänger, aber er lehrte echtes yogisches Chanten.

Das bedeutet mit seinem ganzen Herzen, seinem ganzen Geist, seinem ganzen Körper und seiner ganzen Seele zu Chanten - mit allem eben. Jemand hat ihm mal gesagt: Du weißt, dass du ein bißchen falsch singst? Und er antwortete: Nein, ich singe nur auf meine Weise! Er hat uns wirklich eine Menge beigebracht. Und ganz ehrlich ist dies die Basis meiner Chanting-Erfahrung und jedes Chanting ist eine Gelegenheit mich mit Gott in Verbindung zu bringen. Jedes Mal ist es auch ein bißchen anders, je nach dem was in meinem eigenen Leben los ist. Es ist eine Meditation und auch ein Weg für mich zu wachsen und mich selbst auf meiner Seelenebene kennenzulernen, daraus schöpfe ich all meine Inspiration.

GuruGanesha Singh:
Also, meine Geschichte ist ein bißchen anders. Ich erzähle euch eine kurze Version. Geboren 1950, bin ich ein Kind der sechziger Jahre, ein Hippie. Die meisten von Yogi Bhajans Schüler waren Kinder der Woodstock-Generation. Damals als Rockn Roll-Musiker während meiner College-Jahre, begann ich mich nach Osten auszurichten, weil die Beatles sich dahin orientierten. George Harrison fand Maharishi Mahesh Jiio, der ihn mit Ravi Shankar bekannt machte. Als ich zum ersten Mal die Sitar auf einem Beatles-Album hörte, war ich tief berührt und ich fühlte mich so verbunden. Es war also Zeit einen besseren Weg zu finden, sich zu erheben, als mit LSD oder anderen Chemikalien, die wir konsumierten. Ich begann die östlichen Mythen zu entdecken. Aber erst als ich Yogi Bhajan traf, wusste ich, dass ich angekommen war. Er war sehr ermutigend, er gab uns alle diese wunderbaren Mantren. Statt der irren Texte die wir vorher sangen. Obwohl ich den guten alten Rockn Roll immer noch gerne höre.

Yogi Bhajan sagte nicht, dass wir nach Indien gehen müssen und klassischen indischen Raag studieren sollen, obwohl wir das letztendlich dann doch getan haben. Er ermutigte uns, unsere Musik zu benutzen, die durch uns hindurch floss. Schließlich gebe ich immer mich selbst, mein ganzes Sein in die Musik, weil ich die Musik total liebe. So fühle ich mich eins mit meinem Sein und meiner Seele. Wir begannen einfache Mantras zu nehmen wie Ek Ong Kar Sat Nam Siri Wahe Guru oder Ong Namo Guru Dev Namo oder Guru Guru Wahe Guru Guru Ram Das Guru und fügten ihnen eine Gitarren-Klangfolge hinzu, die wir gern hatten und die aus den Sechzigern kam. Somit verbanden wir den Raag und den Blues.

Anfang der 70er haben wir wie verrückt gesungen. Wir zogen in einen Ashram mit fast 100 jungen Leuten und arbeiteten in einem vegetarischen Restaurant. Bei einem knapp 15-Stunden-Arbeitstag, chanteten wir beim Abwaschen und Servieren, damit wir besser durchhalten. Das Restaurant nannte sich Golden Temple Conscious Cookery. Yogi Bhajan motivierte uns, dieses vegetarische Restaurant zu öffnen, um der Gemeinde zu dienen. Jeden Abend um 22 Uhr schlossen wir das Restaurant und spielten davor mit Gitarren, Trommeln und Flöten. Die meisten Leute kamen extra spät zum Essen, um das mitzuerleben. Wir haben alle aus unserem Herzen gesungen Sat Nam, the grace within you shines through you und manchmal haben wir bis Mitternacht gespielt. Jeden Abend ging das so. Und danach wurde erst aufgeräumt, aber alle waren in bester Laune vom stundenlangen chanten und tanzen. Das waren sehr fröhliche Zeiten - und Snatam ist da hinein geboren.

YogaRelations: Was ist Naad Yoga und welchen Effekt hat das Chanten von heiligen Mantren?

Snatam Kaur:
Der Begriff Naad besteht aus den Silben Na und Aad.
Aad steht für die unendliche Ur-Kraft und Na steht für die Ur-Kraft in endlicher Form, wie der Körper, der die endliche Form darstellt. Wir leben und sterben, wir sind endlich, aber in uns hat die unendliche Ur-Kraft Aad die Gelegenheit, sich auszudrücken. Der Effekt des Chantens ist, dass es dich komplett auf physischer, mentaler und spiritueller Ebene ändert. Es gibt Studien an verschiedenen Universitäten die bestätigen, dass das Gehirn eine unglaubliche Streßminderung durch das Chanten von Mantren erfährt.

Wenn du diese heiligen Mantren chantest wirkt es wie ein Morse-Code, wenn die Zunge an den Gaumen klopft. Es stimuliert die Meridiane, die mit dem Hypothalamus und der Hypophyse verbunden sind. Das Chanten hat einen physischen Effekt, in dem es unser Drüsensystem stimuliert. Während wir chanten wandert die Energie die Wirbelsäule hoch und regeneriert jedes Chakra, vom ersten bis zum siebten Chakra und dann ins achte Chakra, die Aura. Wenn du also chantest regeneriert das alle Chakren, die mit den 72.000 Nadis (Meridiane) im Körper verbunden sind. Es ist also ein sehr kraftvolles Konzert, das sich abspielt!

YogaRelations: Wie bereitest Du Dich vor?

Snatam Kaur:
Wenn wir chanten ist es sehr wichtig, an einen neutralen Platz in sich selber zu kommen. Yoga vor dem Chanten zu machen, ist ein sehr kraftvoller Weg. Wir praktizieren täglich Yoga. Für uns ist im Konzert das Ong Namo Guru Dev Namo ein Weg uns ins Gleichgewicht zu bringen, uns einzustimmen und an einen neutralen Platz zu kommen. Man möchte an diesen Ort kommen, damit die Energie aufsteigen kann. Deshalb sitzen wir mit einer geraden Wirbelsäule.

Auch das Atmen zwischen den Chants ist so wichtig sowie der ruhige Moment davor und danach, damit du zu diesem neutralen Platz gelangen kannst. Wir arbeiten sehr stark an der Betonung der Mantren, je mehr du diese betonen kannst, desto stärker ist der Effekt. Aber selbst wenn jemand ein Mantra komplett falsch betont, kann er immer noch eine unglaubliche Erfahrung machen. Ein Mantra ist nur ein Werkzeug. Wir arbeiten an der Betonung, damit du diesen Klopfeffekt am Gaumen haben kannst und alle diese Sinneseindrücke. Doch wenn wir chanten, denken wir an all diese Dinge überhaupt nicht mehr.

GuruGanesha Singh:
Ich stimme ganz mit dem was Snatam sagt überein. Ich hatte gestern einen schwierigen Nachmittag. Wir versuchten unser musikalisches Equipment zu finden und wir waren spät dran mit dem Soundcheck und als ich dann endlich in der Halle ankam, fühlte ich mich so sehr ich es auch versuchte zu vermeiden, denn das ist ja was den yogischen Lebensstil ausmacht - ziemlich gestresst. Aber zum Ende des Konzerts fühlte ich mich absolut glückselig.
Und dies setzte sich nicht nur ins Nachkonzert fort, das dann zuhause folgte, sondern auch in meinen Schlaf. Und als ich heute Morgen aufwachte, fühlte ich mich auch noch so. Ich fühle wirklich, dass das Chanten der Mantren und wenn es eine tolle Energie zwischen den Mitspielern und dem Publikum gibt - dich und deine Seele total harmonisiert. Ich fühle mich selbst jetzt noch in totaler Harmonie mit meiner eigenen Essenz und meinem eigenen Sein. Und das denke ich, überträgt sich und harmonisiert dich mit dem Leben.

Snatam Kaur:
Yogi Bhajan hat oft über die Kraft der heiligen Gemeinschaft gesprochen und dass, wenn man zusammen kommt und miteinander praktiziert, dass dann der Effekt des Yoga, des Chantens, der Meditation sich tatsächlich verzehnfacht und man sich so wirklich unterstützt. Er bestärkte Leute darin, sich gegenseitig zu unterstützen und Dinge zusammen zu machen.Es ist in Ordnung zuhause seine eigene Yoga-Praxis zu haben, manchmal braucht man diesen Raum, aber diese Art von Gruppen-Praxis ist wirklich kraftvoll. Wir bestärken Leute in unseren Workshops, Gemeinschaft zu kreieren und diese Art von Gruppen-Praxis zu leben. Und wir erfahren es auch in unseren Konzerten. Die Stimme der Gruppe zu hören, wenn das Publikum reagiert, wäscht jede Art von Angst, Nervosität und Trennung weg und verbindet dich total mit der göttlichen Seele in jedem. Es ist wirklich kraftvoll. Und auch Naad-Yoga in der Gruppe zu praktizieren.

YogaRelations: Somit ist es ein bißchen wie vom individuellen Bewusstsein zum Gruppen-Bewusstsein und dann zum universellen Bewusstsein zu gelangen?

GuruGanesha Singh:
Gestern Abend ist genau das geschehen, was wir eine Coformance und keine Performance nennen. Als wir Ong Namo chanteten, signalisierte Snatam mir, dass wir beide bereit waren in den nächsten Teil des Stückes überzugehen. Und das machen wir normalerweise so, dass wir solange spielen bis es sich so anfühlt, als wenn es Zeit ist weiterzugehen und Snatam ein bißchen mit ihrer Nase wackelt. Aber gestern Abend hat das Publikum das Konzert sozusagen übernommen. Wir waren bereit in das Guru Dev Guru Dev Namo überzugehen, aber das Publikum war noch nicht bereit. Wir haben uns also angeschaut und uns verbeugt. Es war ein wunderschöner Moment und füllte meine Augen mit Tränen.

Snatam Kaur:
Und das half mir gestern Abend mich auf das Publikum einzustimmen, weil es mich wirklich zurück an die Essenz brachte, zu dem was wir tun. Es ist keine Performance und das Kraftvollste, das passieren kann ist, dass jemand dort seine Stimme hört und von seiner eigenen Stimme inspiriert wird. Manchmal kannst du auf der Bühne mit dem ganzen Drumherum schon denken: Oh, mein Gott, ich muss jetzt wirklich gut sein, ich muss imponieren, ich muss dies und das. Gestern Abend war es deshalb umso wichtiger für mich dem Publikum zuzuhören. Als wir das Publikum also hörten, dachte ich nur: Ok, deshalb sind wir hier!

GuruGanesha Singh:
Ja, genau das habe ich auch in dem Moment gedacht.

YogaRelations: Und die Energie war fantastisch. Die Leute haben nach den Chants einfach nur in Stille gesessen und meditiert.

GuruGanesha Singh:
Das Ende war so wunderbar. Wir müssen doch für Minuten komplett still da gesessen haben. Es war ein so reicher und tiefer Moment. Ich finde generell, dass die Leute in Deutschland sehr spirituell sind. Wir hatten drei unglaubliche Abende in Berlin, in Hamburg und jetzt hier in Köln. Offensichtlich nehmt ihr Deutschen eure spirituelle Praxis sehr ernst.

Lieben Dank für dieses Interview.

Mehr über Snatam Kaur

Snatam Kaur
Fotos © von Fran Gealer, Andrea Marino und Ravitej Singh Khalsa.

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von Andrea Danke

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