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Eine Liebeserklärung an den Goldenen Tempel

Von Satnam Kaur Wester

Vor dem Tempeleingang herrscht ein riesen Durcheinander. Hunde, Bettler, Händler, Kühe, Familien mit samt Großeltern und Kleinkindern drängen sich an verloren dreinschauenden Touristen vorbei. Autos, Pferdekarren, Scooter und Traktoren versuchen sich gegenseitig zu überholen. Es ist laut, es stinkt, und ich spüre wie alles an meinen Nerven zerrt. Ich versuche die Bettlerkinder zu ignorieren, die an meinen Kleidern zupfen, ignoriere die vielen Rufe und Blicke die meine weiße Haut an sich zieht, ignoriere die Verkäufer, die meine Aufmerksamkeit und mein Geld wollen, gehe direkt auf mein Ziel zu.

Sobald ich die Treppen zu dem Tempel hinuntersteige, fühle ich wie ich mich entspanne. Das Gold schimmert in der Nachmittagssonne. Jedes goldene Türmchen wird von dem Wasser, das den Tempel umgibt, zur Perfektion reflektiert. Hier bin ich geborgen. Ich verbeuge mich, meine Stirn berührt den kühlen Marmor. Hier bin ich zuhause. Ich atme tief ein. Sogar die Luft ist hier frisch. Ich mische mich unter die Leute, die im schnellen Schritt im Uhrzeigersinn um den Tempel laufen. Die Menge ist zwar immer noch lebhaft und bunt, aber lange nicht so aufdringlich. Ich setze mich an den Rand des Wassers und spüre die Stille förmlich, die sich hier ausbreitet. Hier wird Tag und Nacht Gurbani gespielt und die Musik erschafft eine heilige Atmosphäre. Ich schau mich um. Neben mir sitzt eine alte Frau. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Hände gefaltet. Auf ihren Lippen ein winziges Lächeln. Der Tempel strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Von dem Lärm draußen ist kaum noch was zu merken. An der einen Ecke des Wassers sitzt ein kleiner Mann. Er streicht sich über den weißen Bart und holt eine Mala aus der Tasche. Er sieht mich und lächelt mir zu. Wir kennen uns vom sehen. Fast jedes Mal wenn ich zum Tempel komme, sitzt er da an seiner Ecke und meditiert. Ich lächle zurück und freue mich an dem wunderbaren Frieden der mich hier umfasst.

Tausende von Menschen kommen täglich zu dem Goldenen Tempel in Amritsar, um zu beten und zu meditieren, um den wunderschönen Tempel zu bewundern und sich von der Atmosphäre verzaubern zu lassen. Als ich in Indien gelebt habe, war ich teilweise jeden Tag da. Man hat mir mal gesagt: der Goldene Tempel ist, wo das Herz jedes Sikhs ist. Dem Stimme ich zu. Ich bin echt gerne da. Der Tempel ist einer meiner Lieblingsplätze auf Erden.

Autorin: Satnam Kaur Wester

Satnam Kaur Wester, 19 Jahre, ursprünglich aus Hamburg, war 6 Jahre auf der Miri Piri Academy in Amritsar, Indien. Jetzt studiert sie in Boulder, Colorado, an der Naropa University. In Indien hat sie neben normalen Highschool Fächern auch indischen Tanz und Raag studiert.
Fotos © Snatnam Kaur Wester

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von Andrea Danke

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